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Artikelarchiv von Maja Langsdorff
Der folgende Artikel wurde am 17.6.2003 in der »Stuttgarter Zeitung« veröffentlicht

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»Wenn das Zahnfleisch blutet«

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Wenn das Zahnfleisch blutet

Häufiges Zahnfleischbluten und Entzündungen in der Mundhöhle sind ein Warnsignal, das man nicht übersehen sollte. Wer nichts dagegen unternimmt, riskiert unter Umständen den vorzeitigen Verlust seiner Zähne

von Maja Langsdorff

Der Blick ins verfärbte Waschbecken irritiert: War die Zahnpasta nicht weiß gewesen? Wer zu Zahnfleischbluten neigt, sollte dies als Alarmsignal Ernst nehmen, nicht Symptom »wegignorieren« - sei es aus Angst oder Nachlässigkeit. Vier von fünf Erwachsenen leiden unter einer - oft mit Bluten verbundenen - Zahnfleischentzündung (Gingivitis). Schon bei vier- bis 13jährigen beobachten Zahnärzte entzündliche Veränderungen an der Schleimhaut, und jede zweite Schwangere klagt über Entzündungen in der Mundhöhle mit Blutungsneigung. Rötung, Schwellung und Zahnfleischbluten sind typische Anzeichen für eine Gingivitis. Diese Probleme zu bagatellisieren, ist gefährlich. Erst entzündet sich das Zahnfleisch, später das Zahnbett, schließlich der knöcherne Zahnhalteapparat - und das Ende des traurigen Lieds ist bekannt: Zahnverlust.

Zahnfleischbluten kann viele Ursachen haben. Es kann Begleiterscheinung schwerer Krankheiten und von Immunschwäche sein, es tritt auf bei Mangel- und Unterernährung und kann auf eine Blutgerinnungsstörung hindeuten. Doch all dies ist selten der Fall. Meist ist die Ursache so naheliegend wie banal: Das Zahnfleisch blutet, weil es mit der Mundhygiene hapert. Wie bei Karies ist regelmäßiges, gründliches Zähneputzen, am besten kombiniert mit der Benutzung von Zahnseide und Mundspülungen, die beste Prophylaxe vor Zahnfleischentzündungen.

Aller Anfang des Dilemmas sind Zahnbeläge (Plaques). Sie bilden sich, wenn bei der Zahnreinigung geschludert wird, und stellen den idealen Nährboden für Bakterien dar. Von denen leben in der Mundhöhle etwa 500 verschiedene, meist harmlose, zum Teil sogar sinnvolle. Plaque bildet sich schnell. Zu wenig Speichel, eng stehende Zähne, falsche Ernährung, Karies sind nur einige Faktoren, die diesen Prozess mit begünstigen. Erst heften sich nur einzelne Bakterien an die Zahnoberfläche an, dann vermehren sich die vorhandenen Keime, und in nur einer Woche ist die Plaque »reif«. Gefährlich werden die Bakterien im Mund dadurch, dass sie einen »Biofilm« bilden. Sie haften praktisch im festen Verbund durch leimähnliche Substanzen fest aneinander und an der Zahnoberfläche - womit auch klar wird, warum Zähne nach den Mahlzeiten mechanisch bearbeitet werden müssen und einfaches Ausspülen nicht reicht. In diesem als Biofilm organisierten Zahnbelag können nun die schädlichen Keime gut geschützt Giftstoffe produzieren, was als Abwehrreaktion des Körpers die Zahnfleischentzündung hervorruft.

Auslöser für diese Reaktion sind die Stoffwechsel- und Zerfallsprodukte der bakteriellen Plaque. Während gesundes Zahnfleisch blass-rosa ist, straff an der Zahnoberfläche anliegt und bis in die Zahnzwischenräume reicht, ist nun das Zahnfleisch geschwollen, gerötet und empfindlich, es löst sich von der Zahnoberfläche und fängt oft schon bei Berührung an zu bluten. Wer dann glaubt, er müsse das angegriffene Zahnfleisch »schonen«, erliegt einem fatalen Irrtum. Das Gegenteil ist der Fall. Jetzt muss besonders engagiert Mundhygiene betrieben werden, das heißt: Der Belag muss gründlich entfernt werden, die Zähne sollten intensiv mit einer nicht zu harten Zahnbürste geputzt, die Zahnzwischenräume mit Zahnseide oder einem spezielle Bürstchen ausgeräumt werden. Zusätzlich helfen Spüllösungen, notfalls Antibiotika, die Bakterien zu bekämpfen und die mikrobielle Plaque zu vermindern.

Verliert das Zahnfleisch durch die Entzündung mehr und mehr den Kontakt zur Zahnoberfläche, dann bilden sich Taschen zwischen Zahnfleisch und Zahnwurzel - mit optimalen Lebensbedingungen für Bakterien. Bei 10 bis 15 Prozent der Betroffenen geht die Zahnfleischentzündung nach und nach über in eine Zahnbettentzündung. Aus dieser Parodontitis kann sich dann, wenn das Zahnfleisch schwindet und die Entzündung sich zwischen Zahnwurzel und Knochen hoch frisst, eine Parodontose entwickeln: die Zähne lockern sich immer mehr und fallen aus.

Wie stark man mit Entzündungen auf die Mikroorganismen reagiert, hängt nicht allein von genetischen Faktoren ab. Auch verschiedene Erkrankungen, Stoffwechselstörungen und die Sexualhormone können sich ungünstig auswirken. Darüber hinaus führen bestimmte Medikamente für Transplantationspatienten und Mittel gegen Krampfleiden, Bluthochdruck und zu Zahnfleischverdickungen, was Entzündungen forcieren kann.

Und schließlich: Rauchen gefährdet nicht nur die Gesundheit, sondern auch die Zähne. Für Raucher ist nach amerikanischen Studien das Risiko von Zahnfleischerkrankungen viermal so hoch wie für Nichtraucher. Rauchen gilt als größter Risikofaktor für Zahnfleischentzündungen, und mit dem Zigarettenkonsum steigt das Risiko. Wissenschaftler sehen die Ursache dafür vor allem darin, dass Rauchen das Immunsystem schwächt, die Versorgung des Zahnfleischs mit Blut herabsetzt und die Wundheilung behindert.

Wenn also wieder mal im Waschbecken rosa Spuren auftauchen, dann gilt: Mundhygiene überprüfen! Mindestens zweimal, besser dreimal täglich jeweils drei Minuten lang die Zähne putzen, die Zahnzwischenräume ausräumen, den Mund gründlich spülen. Ganz wichtig ist die regelmäßig Kontrolle von Zähnen und Zahnfleisch beim Zahnarzt, der, wenn nötig, Zahnstein entfernt und den Mundraum auf Störfelder wie undichte Füllungen, abstehende Füllungs- und Kronenränder und Aufbissprobleme überprüft. Bei anhaltendem Bluten ist in jedem Fall der Zahnarzt aufzusuchen! Damit wir auch morgen noch kraftvoll zubeißen können…

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